Afghan*innen außerhalb Afghanistans
Interview mit Shamsia Azarmehr
Die Aufnahmebereitschaft für Afghan*innen durch die Staaten in Europa ist gering. Mehrere Länder, darunter Österreich, Frankreich, Italien, Griechenland und Dänemark haben scharf abgelehnt, schutzsuchende Menschen aus Afghanistan aufzunehmen. Und somit ist weiterhin unklar, was mit den schutzsuchenden Menschen passieren wird. Auch die Bundesregierung unter der CDU und SPD haben sich nicht auf ein Aufnahmeprogramm geeinigt und versagen darin, Menschen von den Evakuierungslisten zu evakuieren. Dieses Aufnahmeprogramm hätte längst umgesetzt werden müssen. Dass ein solches nun von der neuen Regierung im Koalitionsvertrag festgehalten wurde, kommt zu spät. Dass diese Koalition ebenfalls mitteilt, dass sie die neue Regierung in Afghanistan unter bestimmten Voraussetzungen anerkennen will, kann nur aufs Schärfste kritisiert werden!
Darüber hinaus gibt es keinen allgemeinen Abschiebestopp in vielen europäischen Ländern, somit müssen Afghan*innen außerhalb Afghanistans weiterhin Angst haben, ins äußerst unsichere Afghanistan abgeschoben zu werden.
Außerdem bangen seit Monaten afghanische Angehörige in Deutschland und anderen Ländern Europas um ihre Familien in der Heimat. Die Nachrichtenlage wird immer schwieriger. Viele haben lange nichts von ihren Familienangehörigen gehört, weil diese sich in Sicherheit bringen mussten.
Die jeweiligen politischen Situationen in den einzelnen Ländern der EU werden weiterhin auf den Schultern von diesen Menschen ausgefochten.
Dies hat unter anderem damit zu tun, dass auch in der EU rechtspopulistische, konservative politische Systeme erstarken. Nicht nur in Ungarn, Polen oder Dänemark herrscht eine rechts-konservative Politik. Es wird zwar immer wieder davon gesprochen, durch eine gemeinsame „europäische Lösung“ den Menschen helfen zu wollen. Doch bleibt unklar, wie diese Hilfe aussehen soll, wenn die meisten der Staaten sich gegen eine Aufnahme von schutzsuchenden Menschen aussprechen..
Selbst die Gefahr von Krieg, Verfolgung und Mord in Afghanistan hält die europäischen Staaten nicht von ihrer menschenverachtenden Politik ab. Durch diese politische Richtung und Uneinigkeit, geraten immer mehr schutzsuchende Menschen, nicht nur Afghan*innen, in lebensbedrohliche Gefahr. Die „europäische Lösung“ verschiebt sich aktuell eher dahin, dass die Grenzen Europas um jeden Preis, auch wenn es Menschenleben kostet, geschützt werden. Es werden Grenzanlagen gebaut, der Grenzschutz aufgestockt.
Gleichzeitig formiert sich seit Jahren zivilgesellschaftlicher Widerstand gegen diese politische Entwicklung. So haben sich im Rahmen der Seebrücke sichere Häfen gefunden, „Solidarity Cities“ und der „Moving Cities“ Kommunen und Städte zusammengeschlossen, um zu zeigen, dass sie schutzsuchende Menschen aufnehmen möchten. Aber auch viele kleine zivilgesellschaftliche Organisationen und Gruppen kümmern sich vor Ort um das Gelingen der Aufnahme, um das Ankommen und das Bleiben von schutzsuchenden Menschen.
Dies ist ein eindeutiges Zeichen an die Politik, dass diese zivilgesellschaftlichen Bewegungen die oben beschriebene politische Entwicklung ablehnen und für einen solidarischen Umgang mit schutzsuchenden Menschen einstehen.